HBO ist Garant für qualitativ hochwertige TV-Unterhaltung. Neben seinem extrem erfolgreichen Meisterstück „Game of Thrones“ bewiesen die Fernsehmacher immer wieder Mut zu kontroversen Inhalten und kinoreifer Umsetzung.
Nicht zuletzt den kreativen Köpfen bei HBO ist es zu verdanken, dass die Latte für TV-Produktionen heute so hochgesetzt wurde, dass viele Produktionen locker mit den grossen Hollywood-Produktionen mithalten können und man als Konsument nicht mehr weiss, wie man all diese grossartigen Serien zeitlich überhaupt sehen kann. Der Begriff „netflixing“ ist dafür bezeichnend, beschreibt er doch das Anschauen ganzer Seasons am Stück. Und seien wir ehrlich, wer ist nicht schon mal hängen geblieben und vergass alles um sich herum, weil es einfach so spannend war?
HBO’s neue Verführung heisst „Westworld“ und ist gerade angelaufen. Nach den ersten zwei Episoden kann man bereits jetzt sagen, dass es wieder etwas grosses wird. „Westworld“, basierend auf dem Roman von Michael Crichton sowie dem daraus resultierenden Spielfilm von 1973, handelt von einem Themepark der besonderen Sorte. Ein ganzes Landstück, welches bewohnt ist von absolut lebensechten, künstlichen Intelligenzen, Menschen wie Tieren, kann von Besuchern für ihre ganz individuellen Rollenspiele besucht werden. Dabei ist alles erlaubt, ob Romanze oder Massaker, jeder Besucher kann sein innerstes Ich ungeniert ausleben. Die künstlichen Menschen spielen mit. Wie Questgeber in einem Rollenspiel offerieren sie indirekt verschiedene Abenteuer an den Besucher: eine Frau, der man hilft und die sich in einen „verliebt“; ein Sherif, der Verstärkung sucht um einen Gauner zu stellen – unzählige, miteinander verflochtene Erzählstränge wurden in die künstlichen Intelligenzen programmiert.
Das ganze wird kontrolliert von einem riesigen Team von Ingenieuren, Programmierern und anderen Fachleuten, welche die Kunstmenschen konstruieren, warten und bei Fehlern untersuchen. Diese kontrollierende Instanz wird in kühlen, lebensfernen Räumen dargestellt, es ist eine spürbar andere Welt als die künstliche Westernwelt, die tatsächlich mehr Raum für Emotionen und auch Menschlichkeit bietet. So entsteht auch früh der seltsame Kontrast einer künstlichen Welt, die menschlicher wirkt, zu der realen Welt, die unheimlich artifiziell erscheint.
All die künstlichen Darsteller der Westernwelt werden, nachdem sich die Besucher an ihnen ausgetobt haben, resettet und starten ihren Tag jeweils neu als wäre nichts geschehen um ihre Routinen abzuspielen. Diese Routinen werden in „Westworld“ immer wieder sehr schön durch ein automatisches Klavier in einem Saloon symbolisiert, welches per Lochpapier vorbestimmte Stücke abspielt.
Doch was wäre, wenn diese Darsteller sich an das Geschehene erinnern würden? An die Grausamkeiten, die die Besucher ihnen antaten, an die Wartungen in den kühlen Hightech-Hallen hinter den Kulissen? Der Serie gelingt es von Anfang an den Zuschauer zu packen. Kleine Glitches in der künstlichen Welt geben erste Hinweise, dass dort etwas ganz und gar nicht stimmt. Ebenso bei den Motiven der Betreiber dieser Welt. Es entsteht eine insgesamt sehr unheimliche Stimmung, ein Unbehagen und das Begehren zu wissen, was dort wirklich los ist. Und dann ist da noch dieser seltsame, schwarz gekleidete Cowboy, der mehr zu wissen scheint als alle anderen…
Die Figuren werden hervorragend gespielt, HBO hat nicht gegeizt und einige hochkarätige Hollywoodstars engagiert, allen voran Anthony Hopkins als undurchsichtiger Schöpfer dieser künstlichen Welt. Oder Ed Harris als der dunkle Cowboy. „Westworld“ ist eine Schöpfung von Jonathan Nolan, dem jüngeren Bruder des talentierten Regisseurs Christopher Nolan (Inception, The Dark Knight, Interstellar). Ebenfalls mit an Bord ist J.J. Abrams (Star Wars – Das Erwachen der Macht) als Executive Producer.
Wie schon bei „Game of Thrones“ wurde auch bei „Westworld“ wert auf das Detail gelegt. Die Setdesigns sind wieder einmal grossartig. Ob die kühl und futuristisch gestalteten Produktionshallen hinter den Kulissen oder auch die Westernwelt selbst. Alles überzeugt. Alles hat Leinwandformat. Die Kamera leistet hervorragende Arbeit um die unheimlich kühle Stimmung zu unterstreichen und sorgt immer wieder auch für ästhetisch wunderbare Momentaufnahmen. Ramin Djawadi (Game of Thrones) unterlegt diese Stimmung mit seiner melancholischen Musik und einem starken Theme, welches auch die Introsequenz vertont. Dabei setzt die Serie insgesamt auf einen ruhigen Ton. Viel Dialog. Es geht um ganz grundsätzliche Fragen des Menschseins.