USA 2019; R: Ari Aster, D: Florence Pugh, Jack Reynor, Vilhelm Blomgren //
Es ist sehr selten, dass Horrorfilme ganz neue Wege beschreiten und somit völlig überraschen. Viel zu oft hat man die immer gleichen Jumpscares, die gleichen CGI-Schocker, ja im Prinzip die gleiche Story gesehen. „Oh, im Hintergrund huscht ein Schatten vorbei“ + überlaute Jumpscare-Musik. Nein, Midsommar geht wahrlich einen anderen Weg.
Er ist eine dieser filmischen Ausnahmen, die einem lange – unangenehm – in Erinnerung bleiben. Die eine eigene Sprache entwickeln und den Zuschauer mitreißen. Regisseur Ari Aster gelang dieses Kunststück gleich mit seinen ersten zwei Filmen, Hereditary (2018) und jetzt noch um so mehr mit seinem zweiten Film.
Midsommar ist ein kaum zu beschreibener, irrer Trip, eine Tour de Force, die nur schwer zu ertragen ist und doch fesselt.
Eine Gruppe junger Amerikaner reist nach Schweden, um dort weit draußen auf dem Land einem urtümlichen, heidnischen Fest beizuwohnen, von dem ihnen ihr Kumpel, welcher selbst schwedische Wurzeln hat, erzählte.
Dort angekommen erleben sie anfangs seltsam anmutende Rituale mit jungen wie alten Menschen in weißen Gewändern, alle wirken extrem freundlich und dennoch wie aus einer anderen, unheimlichen Welt. Als die Rituale immer erschreckendere Formen annehmen, spitzt sich die Lage für die Gruppe langsam zu…
Der ganze Film reisst den Betrachter bereits in den ersten Minuten in seinen düsteren Bann (Die Inszenierung eines familiären Unglücks ist ein filmisches Meisterstück). Dieser lässt auch nicht mehr nach, er steigert sich kontinuierlich bis zum schaurigen Höhepunkt. Dabei brilliert Aster mit seiner ruhigen wie eindringlichen Bildsprache: Selten nahm sich ein aktueller Film soviel Zeit, verzichtete auf schnelle Schnitte. Stattdessen erhalten wir starke, ruhige und hochästhetische Bilder, die man in einem anderen Kontext als positiv und wunderschön verstehen würde. Doch kombiniert mit der bedrückenden Szenerie erschaffen sie in diesem Kontrast eine wahrlich extrem unheimliche Stimmung. Tanzende, lachende Mädchen mit Blumenschmuck? In Midsommar gefriert einem das Blut bei diesem Anblick. Geschickt setzt der Regisseur auch langsame Schwenks ein, bei denen schon mal das ganze Szenario auf dem Kopf steht. Starkes Unbehagen wird kontinuierlich erzeugt: visuell und mit vielen anderen, cineastisch geschickt eingesetzten Mitteln.
So spielt der ganze Film bei strahlendem Sonnenschein (da es in Schweden auch in der Nacht hell ist zu jener Jahreszeit) und bricht damit mit sämtlichen Horrorfilm-Konventionen. Auch damit zeigt sich die handwerkliche Kunst des Regisseurs und Kameramanns, die hier gänzlich auf Effekthascherei verzichten und allein auf ihre starken Bilder und Schauspieler setzen.
Midsommar ist nichts für schwache Nerven und sicherlich kein 0815-Schocker, den man sich an einem Abend mit einer Tüte Chips für ein paar nette Adrenalin-Kicks reinzieht. Vielmehr ist es ein psychodelischer Trip, der auch nach Filmende noch nachwirkt, und die Chips blieben mit Sicherheit im Halse stecken.